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Donnerstag, 25.11.2004

»Hic bir yere gidememek/ Nirgendwo Ankommen«

»Worauf läuft die Bewegung der Migration hinaus? Die Hoffnung auf glückliche Rückkehr oder auf das vollständige Verschwinden des Fremden im Einheimischen erfüllt sich selten. Aber vielleicht gibt es eine viel größere Hoffnung: Die Entstehung einer neuen, offenen Kultur zwischen den Kulturen. Eine Kultur, die den Migranten ebenso wie den Menschen der oft wahrhaft eingesessenen Kulturen neue Chancen eröffnet.«  Georg Seeßlen, Dokumentarflimer und Filmkritiker
 
Ein Kunstprojekt sammelt Migrationsbiographien von Türkinnen und Türken, Kurdinnen und Kurden aus dem Reuterkiez. Alle vier Generationen sind eingeladen, ihre Lebensgeschichten zu erzählen.
Wann und warum ist man gegangen? Wo kommt man her? Welche Hoffnungen und Wünsche hatte man? Wie war das ankommen? Wie ist das Leben in einem anderen Land? Was hat sich erfüllt? Was hat sich verändert ... sind einige von den vielen Fragen, deren Antworten sich die Künstlerin Susanne Bosch erzählen lässt.

In diesem Projekt erzählen die Bürgerinnen und Bürger aus der Türkei, wie es dazu kam, dass sie heute in Berlin-Neukölln leben. In der Tradition der »erzählten Geschichte« vermitteln sie ihre Lebensgeschichte. Beeindruckende, schwierige, komische, anrührende Biographien mit vielen unerwarteten Wendungen. Die Beweggründe der Migration werden durch die Menschen selbst auf eine authentische Art und Weise transportiert. Andere können mitfühlen: die Not, die Abenteuerlust, die Verzweiflung, die Chancen, die eine Migration mit sich bringt. Hinter den Klischees (Gemüseverkäufer, Flüchtling, Zigarettendealer...) tauchen Menschen mit beeindruckenden individuellen Biographien auf. Das ist ein wichtiger Schritt im Annäherungsprozesse: Akzeptanz ist eine entscheidende Voraussetzung für Integration.
 
Die Künstlerin Susanne Bosch war 2003 als Stipendiatin des Berliner Senats für Wissenschaft, Forschung und Kultur in Istanbul. Dort begann sie, sich Migrationsbiographien erzählen zu lassen, fotografierte Visaschlangen vor Konsulaten, verwandelte die Migrationsgeschichten in Schattentheater, die sie wiederum auf türkisch in Istanbul vorführte (im Rahmen des Austellungsprojektes LOCK YOUR MIND; Apartman-Projesi, September und Oktober 2004), ferner transformiert sie die erzählten Geschichten in Zeichnungen und Geschichten für die lokale Zeitung, auf Poster im öffentlichen Raum, in Radiosendungen und als Audio-und Zeichnungs-Installation im Café MittenMang. Das Schattentheater steht in der türkischen Kultur in türkisch-osmanischer Tradition (Caragöz).
 
In der Lokalpost werden erste Auszüge der Lebensgeschichten-Sammlung vorgestellt. Günter Piening, der Migrationsbeauftragte des Landes Berlin und die Neuköllner Kulturamtsleiterin Dorothea Kolland werden bei der Ausstellungseröffnung am 8.Dezember im MittenMang anwesend sein. Während der 14-tägigen Ausstellung zu den Biographien wird es sowohl am Eröffnungsabend als auch am 13., 17. und 22.12. jeweils um 19 Uhr Schattentheatervorstellungen geben.
Parallel dazu werden in einer Plakataktion Plakate zu der Thematik im Reuterkiez erscheinen.
Mehr unter www.susannebosch.de.
 
Das Projekt wird im Rahmen des Quartiersmanagements Reuterplatz gefördert durch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Programm Soziale Stadt.

foto & text: SBosch