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Freitag, 01.10.2004

Einwanderungsstadt Berlin

 
Als erfolgreiche Diskussionsplattform erwies sich mit multikulturellem Besucheransturm der 1. Berliner Integrationstag am 13. September in der Werkstatt der Kulturen. Behandelt wurde die Integrationspolitk in den Quartieren sowie Perspektiven und Potenziale der Einwanderungsstadt Berlin.
Klare Worte ans Publikum richtete gleich zu Beginn des Integrationstages der Integrationsbeauftragte des Berliner Senats, Günter Piening: "Die Innenstadtquartiere haben große Potentiale nicht trotz, sondern wegen der von Migration geprägten Bevölkerungsstruktur." Eines seiner Zukunftsvorhaben ist die stärkere Ausrichtung der Integrationspolitik auf alle Berliner Innenstadtbezirke mit hohem Migrantenanteil.
 
Die ausführliche Präsentation der OECD-Studie "Urban Renaissance Berlin"  von Frau Doktor Edith Brickwell (Investitionsbank Berlin) zur Integrationspolitik in den Bezirken bekräftigte mit positiven Beispielen,  welche Bedeutung die Selbsthilfepotenziale der Migranten-Gemeinden für die vielseitig angestrebte "Renaissance" der Innenstadtbezirke haben.
Die Studie der OECD bestätigt, dass Berlin mit solch erfolgreichen Einrichtungen wie etwa dem Quartiersmanagement auf dem richtigen Weg ist: "An all die positiven Erfahrungen sowie an das dichte Netz von Selbsthilfeprojekten, Beratungseinrichtungen und Migrantenvereinen muss angeknüpft werden." Dafür müssen sicherlich noch intensiver institutionelle Verknüpfungen geschaffen werden. Angestrebt werden auch Verbesserungen in der Ausbildung und Beschäftigung  von Jugendlichen einer ethnischen Minderheit. Die beruflichen Beratungs- und Vermittlungsangebote sollen erweitert werden und müssen sich mehr als bisher an deren Biografien, Potenzialen und Bedürfnissen orientieren.
 
Der Diskussionspunkt "Ethnische Ökonomie" thematisierte unter anderem, dass die Unternehmensgründung eines Migranten nicht an der dafür notwendigen Kontoeröffnung scheitern darf. Diese wirtschaftlichen Grundvoraussetzungen müssen einheitlich gemanagt werden. Es gibt bekanntlich weit mehr Unternehmen mit Migrationshintergrund in den Kiezen als etwa den türkischen Gemüsehändler ums Eck. All diese gewillten Unternehmer bringen mehrfache Erfahrungen mit, da sie ihr Wissen aus unterschiedlichen Kulturen schöpfen.
Auch wie unumgänglich die Neuschaffung von sozialen Netzwerken für Zuwanderer ist, muss bei deren Integration bedacht werden. Migration ist ein Ergebnis von Mobilität. In ein anderes Land abzuwandern bedeutet,  sämtliche Netzwerke hinter sich zu lassen. Manche dieser Bindungen in seiner neuen Heimatstadt Berlin wieder aufzubauen, setzt Unterstützung und Hilfe von allen zuständigen Institutionen voraus. Weiterführend sollten die sozialen Erfahrungen von Migranten unbedingt an Neu-Zuwanderer weitergegeben werden. Deren Informationspool ist wesentlich authentischer und bewirkt wiederum weit intensivere Kommunikation zwischen Neu-Zuwanderern.
 
Am "Markt der Möglichkeiten" präsentierten insgesamt 13 Informationsstände eindrucksvoll, wie sich Zuwanderung als Schatz und Chance entfalten kann und welch kulturelles Potential Migranten in den Bezirken darstellen. Unser multikultureller Kiez war mit dem Quartiersmanagement Reuterkiez sowie dem Arabischen Kulturinstitut (AKI e. V.) am Markt der Möglichkeiten vertreten.

Der diesjährige Integrationspreis wurde an drei Initiativen verliehen, die sich für Gleichberechtigung und gesellschaftliche Partizipation von Mädchen und jungen Frauen mit Migrationshintergrund engagieren. Die aus drei Fachfrauen bestehende Jury verlieh die beiden mit jeweils 2000 Euro dotierten Hauptpreise an das interkulturelle Mädchenprojekt Rabia e. V. in Kreuzberg, sowie an den Mädchennotdienst (in Trägerschaft von Wildwasser e.V.) in Kreuzberg.
Das vielfältige, kreative Angebot von Rabia richtet sich an Mädchen ab 10 Jahren, egal aus welchem Kulturkreis. Ob Theater spielen, Hausaufgaben, Streetball, Computerkurse, Straßenfeste organisieren oder Keyboard spielen – auch Filmvorführungen im hauseigenen Mädchencafé sind im Rabia möglich.
 
Der Mädchennotdienst ist ein Zufluchtsort und Schutzraum, welcher jugendlichen Mädchen in Not- und Krisensituationen im Alter von 12-21 Jahren rund um die Uhr durch telefonische und/oder ambulante Beratung, sowie mit sofortiger vorläufiger stationärer Unterbringung, hilft. Das einfühlsame Betreuungsangebot der ausschließlich weiblichen Mitarbeiterinnen richtet sich an jugendliche Frauen, die sexueller Gewalt ausgesetzt sind oder waren. Es wird nicht nur vielen Mädchen und jungen Frauen mit Migrationshintergrund Schutz geboten, sondern es wird auch die öffentliche Diskussion über die besonders schwierige Situation von Mädchen und Frauen aus traditionell geprägten Elternhäusern gefördert. Die mädchenspezifische Anlaufstelle richtet sich an junge Migrantinnen der ersten oder zweiten Generation, schwangere jugendliche Frauen, Mädchen und junge Frauen aus Multiproblemfamilien, in denen psychische und physische Misshandlung mit einer generellen Kindervernachlässigung und anderem einhergingen.
 
Der Sonderpreis von 1000 Euro ging an den Mädchen-Kultur-Treff Dünja in Moabit.
Dünja ist ein sehr kreativer Treffpunkt für junge Frauen und Mädchen aus verschiedenen Kulturen. Dort erhält man z.B. Hilfe bei Hausaufgaben, Computertrainings sowie Beratung und Unterstützung bei allen Fragen und Themen der Ausbildung. Im Dünja kann man Freundinnen finden, seine Sprachkenntnisse festigen und entwickeln, außerdem sich über Religion und Kultur austauschen.

fotos: CPeterfaj; text: MSchreiner