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Donnerstag, 22.04.2004

Hexen hexen…

 
Bald ist es wieder soweit: Während andere in den Mai tanzen, treffen sich alle Hexen, die etwas auf sich halten, auf dem Brocken im Harz.
Der Name Walpurgis-nacht geht zurück auf die Heilige Walpurga, der Schutzpatronin der Bäuerinnen und Mägde, derer man am 1. Mai gedenkt. Die nichtchristlichen Bräuche reichen jedoch viel weiter zurück: Die Kelten feierten in dieser Nacht das Beltane-Fest, um den Frühling zu begrüßen. Die Menschen tanzten um Freudenfeuer, in denen der Gott Baldur symbolisch verbrannt wurde, um mit neuer Kraft – gleich dem Frühling – aufzuerstehen. Weise Frauen, Druiden und Heiler nahmen aktiv an diesen Riten teil.
Nach der Christianisierung unter Karl dem Großen wurden diese Bräuche verboten, hielten sich jedoch hartnäckig, entgegen dem Willen der Kirche. Anders als viele andere "heidnische" Riten, konnte man das Beltane-Fest nicht in einen christlichen Kult einbinden. Die Kirche setzte später das Gerücht in Umlauf, dass in dieser Nacht die Hexen unterwegs wären und um Feuer tanzen würden. Wer sich an den Riten beteiligte, wurde als dem Teufel nahe stehend bezeichnet.
Eine der ersten Hexenverbrennungen fand 1272 in Toulouse statt, doch kamen Hexenanklagen und solche Verurteilungen noch nicht sehr häufig vor. Der Kampf der Kirche gegen das heidnische Brauchtum gipfelte in den Hexenverbrennungen der Frühen Neuzeit.1487 erschien der Hexenhammer (malleus maleficarum) und läutete damit die Zeit der massenhaften Hexenprozesse ein. In diesem dreiteiligen Werk schilderten die Inquisitoren das Treiben der Hexen und das richtige Vorgehen in einem Hexenprozess. Daumen- und Knieschrauben sowie Streckvorrichtungen gehörten zur Grundausstattung eines Hexenprozesses. Die Folter war gängiges Mittel, um ein Geständnis zu erzwingen. Leugnete die "Hexe" unter der Folter, so beherrschte sie bestimmt die Kunst der Verschwiegenheit – und wurde ohne Geständnis trotzdem verurteilt.
In (West-)Europa starben mehr als 700.000 Menschen – 20.000 alleine in Deutschland! – auf lodernden Scheiterhaufen, weil man meinte, sie stünden mit dem Teufel im Bund. Einige Schätzungen belaufen sich gar auf 9 Millionen Menschen, die in Europa dem Hexenwahn zum Opfer fielen – zu mehr als 90Prozent waren dies Frauen, nur wenige Männer wurden der Hexerei angeklagt. In Deutschland wurde übrigens die letzte "Hexe" 1782 in Würzburg verbrannt.
Menschen starben, weil sie Wissen besaßen, Wissen, das mündlich überliefert worden war und das erst in den letzten Jahrzehnten wieder neu entdeckt wird. 150 Jahre später, am 10. Mai 1933, verbrannte man das Wissen, das in Büchern festgehalten wurde.
Diese Zeiten sind zum Glück vorbei – die Hexen, die sich dieses Jahr wieder in der Walpurgisnacht auf dem Brocken oder sonst wo treffen und tanzen, werden mit Sicherheit von der Mehrheit der Bevölkerung nur noch milde belächelt. Vielleicht sollten sich mehr Menschen den Riten der Walpurgisnacht anschließen und mitfeiern: "Der König ist tot, es lebe der König!" Wahrscheinlich wären die meisten dann zu müde, um am 1. Mai in Kreuzberg und anderswo Steine zu werfen und zu plündern… Und noch etwas: könnten wir nicht alle in Zeiten wie diesen ein wenig Weiße Magie gebrauchen?

Kupferstich: Jan Luyken, Hexenbrand in Amsterdam, 1571, aus: Hexenwelten, hrsg. von Richard van Dülmen, Frankfurt am Main 1987; text: SPfau