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Freitag, 19.03.2004

Künstler vor dem Aus!

 
Ein altes Fabrikgebäude im zweiten Hinterhof der Hobrechtstraße 31 bietet seit 1999 21 KünstlerInnen große und lichtdurchflutete Arbeitsräume an. Durch das Ateliersofort-programm wird die Hälfte des Mietpreises übernommen – den Rest, inklusive Arbeitsmittel, zahlen die KünstlerInnen selbst. Für viele ist das ein Segen, liegt doch der jährliche Durchschnittsverdienst bei etwa 5.000 €. Durch das Ateliersofortprogramm können langfristige Projekte und Ausstellungen vorbereitet werden, da keiner seine Energie darauf verwenden muss, sich zuerst einen bezahlbaren Arbeitsraum zu suchen bzw. instand zu halten.

Doch hat nicht auch einmal ein Roy Liechtenstein klein angefangen? Und van Gogh? Sein Leben lang verkaufte er nur ein einziges Bild – grandiose Gemälde hinterließ er uns allerdings, weil es Menschen gab, die ihn finanziell unterstützten.
Allzu leicht bedienen wir uns des Klischees des "Künstlers" – brotlos ist die Kunst, das meint doch jeder zu wissen. Dennoch: Künstler ist ein Beruf wie Rechtsanwalt, Arzt oder Lehrer. Sechs Jahre Studium haben sie alle hinter sich. Ohne abgeschlossenes Hochschulstudium und Arbeitsmappe hätten sie über das Atelierbüro gar kein gefördertes Atelier anmieten können. Doch wie gesagt: damit ist jetzt Schluss – Ende Juli 2004 werden die 21 Künstler in der Hobrechtstraße 31 wohl ihre Ateliers verlassen müssen. Darunter übrigens namhafte Künstler wie Bettina Wächter, Nicolas Freitag, Roland Satlow, Roland Geissel, Marcel Bühler und Cornelia Renz. Und schon sind wir dem Ghettoimage wieder ein bisschen näher…
 
Näheres über das Ateliersofortprogramm können Sie im Internet unter: www.bbk-kulturwerk.de erfahren.

Und noch eine Frage sei hier erlaubt: Wie hoch werden die Kosten des Imageschadens sein? Berlin schmückt sich gerne als Kunst- und Kulturstadt und ist seit einigen Jahren auch in der internationalen Kunstszene ein fester Anlaufpunkt. Zurzeit sind die Werke des Museum of Modern Art (MoMA) in der neuen Nationalgalerie ein absoluter Publikumsmagnet. Kunstbegeisterte kommen aus ganz Deutschland und den europäischen Nachbarländern – das ist gut für das Image und gut für die Einnahmen. Gleichzeitig entzieht die Stadt durch ihre absurde Haushaltpolitik den eigenen KünstlerInnen die Existenzgrundlage.

Letztendlich eine Milchmädchenrechnung: die Streichung der Fördergelder im Kulturbereich (übrigens gerade mal 1 Prozent der Haushaltsmittel fließen als Fördermittel den bildenden Künstlern zu) führt zu Mehrausgaben im sozialen Bereich. Gleichzeitig wird vermutlich auch der Leerstand der bisherigen Ateliers vom Steuerzahler mitfinanziert werden müssen, denn die Vermieter können Ateliers schlecht als sonstige Geschäftsräume vermieten und werden die Kosten steuerlich abschreiben.

Noch Anfang Januar 2004 wurde das 10-jährige Bestehen des Atelierbüros im Roten Rathaus mit internationalen Künstlern gefeiert. Doch damit ist nun Schluss: Anfang März 2004 beschloss der Senat die Einsparung von 1,2 Millionen Euro auf Kosten des Ateliersofortprogramms!
Konkret heißt das: Bestehende Mietverträge werden nicht mehr verlängert und neue schon gar nicht mehr abgeschlossen. Kürzlich geschlossene Mietverträge enthalten übrigens eine Klausel, die es erlaubt, ohne Angabe von Gründen fristlos gekündigt zu werden. Ohne Arbeitsplatz kann natürlich keine Ausstellung vorbereitet werden, der Verdienstausfall der Künstler, der dadurch entsteht wird wahrscheinlich zu Lasten der Sozialkasse gehen, denn – leider – landen selbstständig arbeitende Menschen ohne Verdienst bei der Sozialhilfe.

fotos: NWingelsdorff; text: SPfau