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Donnerstag, 18.12.2003

Pro memoria - erstmalige Veranstaltungsreihe zum Thema Menschenrechte

 
Auch in unserer modernen und kultivierten Zeit muss man die Öffentlichkeit immer wieder auf Menschenrechtsverletzungen aufmerksam machen bzw. sensibilisieren.
Daher entwickelte das Heimatmuseum Neukölln, unterstützt von der Volkshochschule, erstmalig im Bezirk eine Internationale Woche der Menschenrechte unter dem Motto Pro memoria. Die am 11.Dezember gestartete Veranstaltungsreihe beschäftigte sich an sieben Tagen mit Widerstand, Vertreibung und Verletzungen der Menschenrechte in Kriegszonen. Die Veranstaltung startete mit einem Solokonzert des kurdischen Sänger, Regisseur und Drehbuchautor Nizamettin Ari. Er musste aus seiner Heimat flüchten und erhielt politisches Asyl in Deutschland. Es folgten eine Filmvorführung und spezielle Stadtteilführungen im Neuköllner Bezirk. Die Politologin, Ursula Bach, zeigte bei dem Rundgang  "Orte des Widerstandes in Neukölln 1933 bis 1945".
Auch im Reuterkiez haben viele Menschen nicht weggeschaut, sondern aktiv gegen den Nationalsozialismus gearbeitet. Zu dem von der Arbeiterbewegung geprägtem Widerstand gehörte der Sozialdemokrat, Werner Planck, dessen Radioladen in der Weserstr. 213 Ende der 30-er Jahre Anlaufstelle  für Kuriere aus Prag wurde und die hierher wiederholt Untergrundzeitschriften lieferten, ist ein Beispiel. Der Pfarrer der Stadtmissionsgemeinde in der Lenaustr. 2-4, Paul Gerhardt Möller, war einer der wenigen Pfarrer, der Konfirmanten jüdischer Herkunft einsegnete. Auch die Hilfe für die von Deportation und Ermordung bedrohten Juden zählt zum Widerstand. Der Frauenarzt, Dr. Benno Heller und seine Frau organisierten ab 1942 Verstecke und Unterkunftsmöglichkeiten für seine jüdischen Patientinnen. An ihren Widerstand erinnert heute eine Gedenktafel an der Sonnenallee 13.  An einem Computer-Terminal können Sie sich über das Thema "Widerstand in Neukölln 1933-1945" auch in der Helene-Nathan-Bibliothek informieren (Multimedia-Projekt des Heimatmuseums Neukölln).
Der Vortrag mit Diskussion über "Flucht und Vertreibung  in Europa", insbesondere am Beispiel der Pontos-Griechen aus der Türkei und Griechenland gibt einen Einblick in die historischen Ereignisse von Familienschicksalen. Parallel dazu läuft bis zum 3. April 2004 im Heimatmuseum die  Ausstellung "Familiendinge", die beeindruckende Familienporträts mit geschichtlichen und sozialen Hintergründen darstellt und die verschiedene Eindrücke über Vertreibung, Flucht und Krieg wiedergibt. Dabei kann man erfahren, welchen Einfluss politische Ereignisse auf Familien haben können, die aus anderen Ländern nach Deutschland gekommen sind. Oft wissen die Nachkommen nicht genau, wie es der eigenen Familie oder deren Nachbarn einst ergangen ist . An einer Wand mit 486 Namen wird an die Neuköllner Familien jüdischer Herkunft erinnert, welche in die Konzentrationslager deportiert wurden.
 
Nachdem am 10. Dezember 1948 die Vereinigten Nationen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte
verkündeten, werden diese 55 Jahre danach immer noch in vielen Teilen unserer Welt permanent verletzt oder völlig außer Kraft gesetzt. Pro memoria sollte ein Ansatzpunkt zum Gedenken an Verfolgung, Krieg und Verbrechen gegen die Menschlichkeit sein. Die Ausstellung Familiendinge lässt vielfältige Erinnerungen wieder lebendig werden, denn das Erinnern an unsere Geschichte ist eine Erinnerung für die Zukunft.
 
Heimatmuseum Neukölln, Ganghofer Str. 3-5, 12043 Berlin, Tel. 6809-2535
Helene-Nathan-Bibliothek, in den Neukölln-Arkaden, 8. OG
Öffnungszeiten Montag - Freitag 10-20 Uhr, Samstag 10-13 Uhr

graphik: IGFM; text: CPälicke, JWolter