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Freitag, 23.07.2004

Rock’n Roll lives im Reuterkiez

 
Der gebürtige Hesse und gelernte Heizungsbauer verstarb nach einem schweren Leiden am 12. Mai in der Charité Berlin. Er war der dienstälteste Rock’n Roller Deutschlands. Bis kurz vor seinem Tode rockte er auf den Berliner Bühnen. Er gehörte zu den ganz großen Originalen unserer Stadt. Im Reuterkiez wohnte er mit seiner Frau Lu in der Sanderstraße 15. Er lebte gerne hier im quirligen Neuköllner Kiez, fühlte sich immer zum kleinen Manne hingezogen.
Der Wiesbadener wurde im 2. Weltkrieg als Soldat in Frankreich gefangen genommen und kam dann nach Texas. Seine Kriegsgefangenschaft, aus der er 1947 entlassen wurde, sollte für ihn letzten Endes eine glückliche Begebenheit darstellen. Er lernte im Gefangenenlager Englisch und machte sich mit der Country- und Hillybilly-Musik vertraut. Das Gitarrespielen hatte ihm sein Bruder beigebracht. Wieder in Deutschland angekommen, suchte Jacky den Kontakt zu den GI-Clubs. Nach den Kriegsjahren gab es hier keine Notenblätter und Textbücher. Jacky hatte das Glück, in den amerikanischen Klubs seine Dollars zu verdienen und kam somit auch an englische Textbücher. Er spielte Songs wie "Save the last dance for me”, "Rock around the clock”, I forgot to remember to forget ".

Sein Comeback erlebte Jacky Spelter mit seiner Band 1989. Der schwarz gekleidete Mann mit nunmehr zwei Zentnern Lebendgewicht, schwarzen Koteletten und strichdünnem Menjou-Bärtchen war mittlerweile ein "Alt-Rocker", tobte aber mit seinen Jungs wie in alten Zeiten über die Bühne. Wenn die Band sich warm gespielt hatte und das Publikum anfing mitzugehen, dann war Jacky-Zeit! Der Meister lief zur Hochform auf und die Band hatte wieder eine feste Fangemeinde. Auftritte, wie im August 1999 in Tegel, anlässlich des "Sommer-Boulevard", bewirkten einen Medien-Hype. Es gab keine Presse, die nicht über "Jacky and his strangers" berichtete. Der TV-Sender Arte brachte ein einstündiges Portrait über den Musiker und Neuköllner Rocker. Damit wurde er über die Landesgrenzen hinaus bekannt und bekam fortan auch aus Frankreich Fanpost. Zu seinem 70. und 75. Geburtstag feierten ihn seine Fans im überfüllten Saalbau Neukölln. Jacky widmete den Berliner Frauen den Song "Die kessen Bienen von Berlin", weil er Frauen sehr liebte. Einer von ihnen hielt er sogar 31 Jahre die Treue, seiner Lu. Nach dem Tod seiner geliebten Frau wurde deshalb alles anders. Jacky fing an zu kränkeln. Da er zu diesem Zeitpunkt schon an Diabetes litt und seine kleine Rente nicht ausreichte, wurde er zum Sozialfall.
Pit Mischke, ein Musiker, der 14 Jahre lang mit Jacky spielte und ihn daher sehr gut kannte, möchte mit Hilfe von Spenden eine Gedenktafel finanzieren und diese am ehemaligen Wohnsitz von Jacky Spelter im Reuterkiez anbringen lassen. Es soll dort auch ein kleines Jacky-Spelter-Museum entstehen, um den Erhalt seines legendären Neuköllner Büros, voll gestopft mit Erinnerungen an die fünfzigjährige Bandgeschichte der "Strangers", zu sichern. Kiezbewohner, die für das Jacky Spelter Museum spenden möchten, wenden sich bitte an Pit Mischke unter der Telefonnummer 615 33 60.

Er war ein Sänger und Gitarrist, der über 250 Songs im Kopf hatte. Seine Band, "Jacky and his strangers" gründete er 1953. Er tourte durch das westliche Deutschland und verdiente, für die damalige Zeit, eine Menge Geld. Jacky war eine Frohnatur und "Hans-Dampf-in-allen-Gassen". Auf seiner Fender-Jazzmaster-Gitarre, die er Jenny nannte, spielte Jacky über fünfzig Jahre. Er hatte sie aus der Kriegsgefangenschaft in den USA mitgebracht. Es war die erste Fender Gitarre in Deutschland.
Der "King", Elvis Presley, saß bei einem Konzert von Jacky im Publikum. Nach der Vorstellung lernten sich beide persönlich kennen und Jacky erntete von Elvis ein dickes Lob für seine Musik. Jacky wiederum verehrte Elvis und wurde der wohl leidenschaftlichste Elvis-Fan in Deutschland.
In Hamburg, auf der Reeperbahn, spielte Jacky Spelter im Kaiserkeller sogar mit John Lennon und den damals noch nicht bekannten Beatles zusammen Während einer Drehpause zum Beatles-Film "Help" kam John Lennon nämlich zufällig in den Club, in dem Jacky spielte. Sofort jammten sie zusammen, bei voll aufgedrehtem Verstärker, mehrere Songs, bis der Clubbesitzer wegen zu großer Lautstärke abbrach. Er meinte damals, er habe schließlich Jacky engagiert und nicht die Beatles … Bilder von diesem musikalischen Geschichtsmoment sind im Internet veröffentlicht unter www.jackyspelter.de
Der Regisseur Jürgen Roland holte Jacky Spelter eines Tages für einen Stahlnetz-Krimi nach Berlin. Jacky verliebte sich in die Stadt und blieb. Es war nicht der einzige Film, in dem Jacky mitspielte. Es folgten zum Beispiel "Das Leben ist eine Baustelle" und "Vespa Fieber".
"Jacky and his strangers" begeisterten mittlerweile seit Jahrzehnten und spielten wohl in allen Häusern, die in Berlin Lifeauftritte ermöglichten. Legendär sind die Auftritte in der TU-Mensa und der "Tarantel", einer Musikkneipe in Kreuzberg. Die Band spielte sogar als musikalischer Botschafter Berlins auf Bonns prominentem Laubenpieperfest.
Mit dem Siegeszug von Diskotheken und ihren DJ’s geriet Jackys Musik ein wenig in Vergessenheit. Doch das gab Jacky die Gelegenheit, sich seinen Leidenschaften, dem Schachspiel und dem Kochen, zu widmen; Letzteres für jeden, der ihn zu Hause besuchte. Sogar für seine verarmten Nachbarn sorgte er liebevoll, obwohl er selbst materiell nicht immer gut versorgt war.

fotos: Leihgabe von PMischke; text: CPälicke & RJahn