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Donnerstag, 18.01.2007

Kennen Sie Brahms?

Beim Talk im MM wurde diesmal über die verschiedenen Entwürfe eines Einbürgerungstests diskutiert

"Wissen und Werte" - der Entwurf der hessischen Landesregierung zum Thema Einbürgerungstest.
"Wissen und Werte" - der Entwurf der hessischen Landesregierung zum Thema Einbürgerungstest.

„Welcher deutsche Bundeskanzler bekam den Friedensnobelpreis?“ ist eine von einhundert Fragen aus dem Entwurf des hessischen Innenministeriums zur Einbürgerung. Menschen, die die deutsche Staatsbürgerschaft erlangen wollen, müssen hier über ein enormes Allgemeinwissen verfügen. Wer sich den Fragebogen intensiv anschaut oder spaßeshalber einfach mal beantwortet, der wird sich wundern. Zu Beginn der Diskussionsrunde wird deshalb aus den neun Unterkategorien jeweils eine Frage gestellt. Relativ schnell wird allen Anwesenden klar, dass vermutlich viele Menschen, denen die deutsche Staatsangehörigkeit per Geburt anerkannt wird, diese Fragen nicht alle beantworten könnten.

Auch das Land Baden-Württemberg hat einen sogenannten Gesprächsleitfaden entwickelt, den ein Bewerber eines Einbürgerungsverfahrens absolvieren soll. Hier gilt es Fragen wie folgende zu beantworten: „Sie haben von den Anschlägen am 11. September 2001 in New York und am 11. März 2004 in Madrid gehört. Waren die Täter in Ihren Augen Terroristen oder Freiheitskämpfer? Erläutern Sie Ihre Aussage!“

Bei diesem Fragebogen soll das Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung abgefragt werden. Die Diskussionsteilnehmer fragen sich allerdings, ob mit solchen Fragen, potentielle Terroristen herausgefiltert werden können. Glaubt man im Ländle wirklich, dass ein „Terrorist“, der sich einbürgern lassen möchte, auf eine solche Frage tatsächlich wahrheitsgemäß antworten würde: „Freiheitskämpfer“? Der Gesprächsleitfaden scheint lediglich auf Menschen zugeschnitten zu sein, die dem muslimischen Glauben angehören. So merkt dann auch ein Diskussionsteilnehmer an, dass es ihn doch sehr verwundere, dass ausgerechnet im konservativen Baden-Württemberg die Gleichberechtigung von Mann und Frau oder die persönliche Einstellung zur Homosexualität als Indikatoren zur Erlangung der deutschen Staatsangehörigkeit entwickelt wurden.

Gabriele Vonnekold, Fraktionsvorsitzende der Grünen in der Neuköllner Bezirksverordnetenversammlung, betont, dass Menschen, die hier leben wollen, die am gesellschaftlichen Leben mit allen Rechten und  Pflichten teilhaben wollen und sollen, durch solche Tests enorme Hürden in den Weg gelegt werden würden. „Wir sollten eigentlich dafür werben, dass Menschen sich hier einbürgern lassen“, ist ihr Fazit.

Wer sich beide Entwürfe genau anschaut, dem wird schnell klar, anscheinend wollen wir niemanden so richtig gerne dazugehören lassen. Einige Anwesende sprechen auch von den alltäglichen kleinen Diskriminierungen. Da werden Menschen, die hier geboren sind, deren Eltern aber aus der Türkei, aus Togo oder einem anderen Teil der Welt kommen, darauf angesprochen, dass sie – nach jahrzehntelangem Schulbesuch und Aufenthalt in Deutschland  – „aber gut deutsch sprechen“, als ob sie (immer noch) ein Exot seien. Universitätsprofessoren sind besorgt, ob die vor ihnen stehende Studentin denn auch genügend Sprachkenntnisse für das Studium habe, denn ihr Name ist kein deutscher Name oder ihre Haufarbe nicht weiß.

Keine Frage für eine erfolgreiche Integration brauchen wir keine Einbürgerungstests und keine Gesinnungsabfrage, was wir brauchen sind Integrationskurse. Und die brauchen wir alle – auch die Mehrheitsgesellschaft, damit sie lernt Angehörige von Minderheiten so zu akzeptieren wie sie sind.

Wer übrigens Interesse hat, sich beide Versionen einmal näher anzuschauen, der kann dies im MittenMang tun. Im Cafébereich liegen sowohl der hessische Entwurf „Wissen und Werte“ als auch der baden-württembergische Gesprächsleitfaden zur Ansicht aus.

Stefanie Pfau